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Allerley Hanndwerck und Wissenswertes

9: Die Zeit zu messen ...
Teil 1

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(Autorin: Friederike Stein, 2000, Quelle: DL Nro. 14)


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Uhrenfreund»Sekunde, Alrik - ja, gut, wir treffen uns in zehn Minuten auf dem Marktplatz - also um halb vier!«

Tempus fugit, die Zeit flieht, und auch die Quellen zu Zeitempfinden und Zeitmessung scheinen sich dem Suchenden zu entziehen. Zeit ist, und sie ist absolut, wozu sollte man viele Worte über sie verlieren? Es ist schließlich jedem bekannt, daß Jahre, Monate, Tage, Stunden und Sekunden vergehen. -- Tun sie das?

Seit ihrem Beginn hat die Welt Zeit.
   Wortwörtlich; denn auch die Zeit mußte erst entstehen. Vorher war - Nichts. Eigentlich nicht einmal ein Vorher. Aber dann ging's los. Atome zerfallen, Pulsare pulsieren, Kristalle wachsen, alles in einem Meer von Zeit.

Auch das Leben, immer auf der Schwelle des Zerfalls, nutzt die Zeit und mißt sie. Bildung und Abbau von Molekülen sind die Triebfedern, die die »inneren Uhren« ticken lassen, da aber Eierlegen im Winter wenig Sinn macht, werden sie ständig nachjustiert.

Jahreszeiten und Gestirne sind die besten 'Zeitgeber', denn der Mond geht auf und unter und zieht über alles hinweg, und ob Mupfel oder Waran, ein jedes kann sich danach richten.

Sonne, Mond und Sterne sind auch die frühsten »Uhren« der Menschen.
   Was braucht man auch mehr? Erst wenn es hell ist, können die meisten mit der Arbeit beginnen. Angekündigter Besuch kam irgendwann an, vielleicht lief noch ein Bote voraus, die Ankunft zu melden, und Versammlungen fanden eben »morgens«, »mittags« oder »abends« statt.
-- Aber dem Herrscher wie dem Handelsmann reicht das nicht.

In Mesopotamien hatte man gut 60 Wörter für bis zu 12 verschiedene Tagesabschnitte, wobei der Tag bei Sonnenuntergang begann.
   Wachwechsel waren wohl der Ursprung für die Unterteilung von Nacht und Tag in je drei und mehr gleiche Abschnitte; seit dem 7. Jahrhundert v.u.Z. hat eine solche Periode 24 Stunden.

Nachtstunden und Tagstunden, wohlgemerkt, denn Zeitgeber war immer noch die Sonne. Die aber läuft im Winter schneller über den Himmel als im Sommer, und so konnte eine »Stunde« mal 40 und mal 80 moderne Minuten lang sein. Da aber allen in der Region die gleiche Sonne schien, machte das wenig aus.
   Freilich konnte der Unterschied von Tag und Nacht über Leben und Tod bestimmen. In Mesopotamien hatte ein Dieb, der während der Siesta einbrach, eine Geldstrafe zu zahlen; wurde er bei Nacht erwischt, verlor er den Kopf. -- Manchmal ist Zeit eben nicht nur Geld, sondern auch Leben.

Menschliches Schicksal und seine Lenkung durch Berechnung der Gestirne waren wohl auch Anlaß für die Festlegung gleich langer Äquinoktialstunden, denn die bedarf einer absoluten Zeit. Und so gab es ebenfalls seit dem 7. Jahrhundert v.u.Z. eine Unterteilung des Solartages in zwölf 'Stunden' immer gleicher Länge.
   Dabei diente so ein »Beru« auch gleich als Längenmaß, nämlich die Strecke, die in dieser Zeit zurückgelegt werden konnte.1 Bis noch vor kurzem diente die eine Dimension, die Zeit, auch zur Definition von Maßen in den anderen; man mißt die Entfernung in »Tagesreisen«, Fläche in »Tagwerk« oder »Morgen«.
   Kein Wunder, daß kühle Rechner und Richter nach der absoluten Lösung suchten, die Zeit zu normieren.

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1 = knapp 11 km
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Der wandernde Schatten der Sonne, rinnendes Wasser oder Öl und rieselnder Sand wird seit dem 3. Jahrtausend v.u.Z. zur Zeitmessung benutzt, ebenso wie abbrennende Kerzen oder - in China - Räucherstäbchen.
   Wasseruhren der Antike konnten z.T. 24 Stunden messen; eine kürzerlaufende 'Eieruhr'-Variante, die Klepshydra, diente vor Gericht zur zeitlichen Begrenzung ciceronischer Plädoyers. Eine pikantere Verwendung fand eine athenische Dame im 4. Jahrhundert v.u.Z., die nach dem Gerät auch ihren Spitznamen erhielt: sie bemaß damit die Besuche ihrer Kunden. -- Liebe nach der Stechuhr.

Bei Kerzen wie Wasseruhren bemühte man sich auch schon bald um einheitliche Eichung und genauere Unterteilung. So fand man Klepshydren mit Stunden- und Minutenstrichen, Sanduhren-Sätze mit verschiedenen Gläsern maßen viertel, halbe und ganze Stunden, und nach Tabellen konnte man seine Sonnenuhr stellen. Und schon der moderne Römer der Antike wurde von der Zeit gehetzt, die er in Form von Taschensonnenuhren mit sich herumtrug.

Sonnenuhren und Klepshydren waren es auch, die das Klosterleben in seinen canonischen 3-Stunden-Rhythmus nach römischem Vorbild lenkten, und sein Stundenschlag bestimmte jahrhundertelang das Tagwerk von Bauern und Städtern. Glocken weckten zum Morgengebet, Glocken riefen zum Markt, und Glocken verkündeten das Öffnen oder Schließen der Stadttore. Klösterliche Begriffe gaben noch um 1200 den Tageszeiten ihre Namen.

Dem Landmann reichte es noch lange, wenn er 'bei drei Fuß' (die der Körper an Schatten wirft) zur Verabredung erschien oder seinen Tee »zwei Vaterunser lang« ziehen ließ. »Stunta« hieß im 8. Jahrhundert und noch lange danach schlicht ein 'Zeitpunkt' oder eine 'Gelegenheit'.

UhrdetailDoch was dem Landmann recht war, war in städtischem Handel und Wandel keineswegs billig. Von ca. 12352 stammt eine der frühesten Darstellungen einer mechanischen Digitaluhr: das kontinuierliche Absinken eines Gewichtes wird durch ein Räderwerk in gleichmäßige Intervalle zerhackt, zunächst in Stunden, später in minutae, "kleinste Teile" einer Stunde.

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2 = Honnecourts Bauhüttenbuch
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Zwischen 1277 und 1300 schuf Giovanni di Dondi die Pendeluhr, die von Dante3 besungen wurde. Noch war ihre Justierung ungenau, Sonnenuhren halfen dem Mechanicus bei der Eichung, und eine Zeitabweichung von bis zu einer Viertelstunde war keine Seltenheit.

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3 = 1321
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Aber nach 1300 dienten Glocken und Türmer der Turmuhr und einer säkularisierten Zeit. 1336 soll es in Italien die erste Turmuhr mit Schlagwerk gegeben haben, Rathäuser und Paläste wurden mit Uhren geschmückt, und auch die Privatisierung schritt mit Verkleinerung der Pendeluhren voran.
   Wie immer, hatte eine solche Entwicklung nicht nur Vorteile - ab dem 14. Jahrhundert kommen reguläre Tagesarbeitszeiten auf, und ab der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wird auf "ein secund"4 genau gemessen.

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4 = »2. Unterteilung«
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Im 15. Jahrhundert wird der schwerkraftunabhängige (!) Federantrieb, um 1500 die Unruh erfunden, dem Nürnberger Meister Peter Henlein zugeschrieben.
   Damit wurden Uhren wieder transportabel, und wer zu spät kam, den bestraften seine Zeitgenossen. -- Kurz nach 1500 verkündet eine Inschrift über der Uhr des Pariser Stadtpalastes: »Dies Instrument, das so genau die 12 Stunden des Tages unterteilt, wird lehren, Recht und Gesetz zu achten«.

(FS) - [Fortsetzung folgt]

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Anregungen für Spieler & Meister:

Und wann treff' ich Alrik nu'?

Das irdische 13. Jahrhundert hat Aventurien längst hinter sich gelassen. Dennoch keine Spur von Uhrtürmen und Taschenuhren. Wie also?

Praiostempel bieten sich als Standort von Sonnenuhren an, Hesindetempel dürften ausgeklügelte Sand-, Öl- oder Wasseruhren betreiben. In der Stadt rufen Nachtwächter und Türmer die Stunden aus. Aber meist wird man sich am Stand der Sonne und Länge von Schatten orientieren. Pech, wenn's tagelang regnet.

»Stunden« können auch durch kleine Sand- oder Wasseruhren oder Kerzen bemessen werden, außerdem bieten sich 'allgemein bekannte' Tätigkeiten an: »1 Peraineunser lang ziehen lassen«, »zwei Gurvanische Choräle lang warten« - oder eben doch nur so lange, wie eine Kastanie zum Runterfallen von einem Schemel braucht!



Impressum -- Text © 2000 Friederike Stein, Graphik & Layout © 1999-2007 M. C. Herdt, Tübingen, BRD. Alle Angaben und Verknüpfungen ohne Gewähr. Datum der letzten Änderung: 2007-12-30.


Dieser Artikel stammt aus:
[Der Darpatische Landbote]
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