IndexInfo

 
Allerley Hanndwerck und Wissenswertes

8: Von Seylerey und Reepschlägerey
Von Litzen, Leinen, Seilen, Kardeelen, Taue und Trossen.

AllerleyWeiter

(Autorin: Friederike Stein, 1999, Quelle: DL Nro. 12)


Geschichte - Ein Szenario | DSA/Fantasy: Talente | Weitere Links

Geschichte

Ich bin ein Seyler / der zum theil /
Kan machen die langen SchiffSeyl /
Auch Seyl zum bauw / dran man allein /
Auffziech Mörder / Zimmerholz unn Stein
Ich kan auch machen Garn und Netz /
Zur Jägerey und zu der Hetz
Darzu auch FischNetz / groß und klein /
Sonst auch allerley Strick gemein.

So reimte Hans Sachs 1568 fürs Ständebuch und faßte zusammen, wo man die Produkte von Seilern so alles brauchte. Es geht auch kürzer: »überall«.

Wie alt die »Seilerei« ist - wer mag das zu sagen? Fäden, Schnüre und Stricke aus Pflanzenfasern halten sich noch schlechter als ihre Pendants aus Leder, wahrscheinlich haben aber schon unsere Steinheimer, Neanderthaler, Cro-Magnon- und sonstigen Ur-ur-ur-Vorfahren welche verwendet.
   Beim Alt-Tiroler Ötzi, der vor etwa 5.000 Jahren starb, fand man Schnüre aus Bast und Gras, ein Netz aus gedrillten Grasschnüren, wie es heute noch für den Vogelfang verwendet wird, ja selbst der Bogen wurde vielleicht mit einer 'Sehne' aus gedrillten Pflanzenfasern bespannt. Die Lederriemen und Sehnen, die wir bei »Steinzeitmenschen« gemeinhin erwarten, hatte er auch bei sich, aber selbst die wurden bereits kunstvoll gespalten, gedreht und verzwirnt.

Doch nicht nur Kordel- und Nähgarnherstellung aus allerlei Fasern, sondern auch veritable Seilerei muß es bereits gegeben haben:
   frühste Bootsdarstellungen aus dem 4. Jahrtausend v.u.Z., aus Mesopotamien und Ägypten, zeigen keine handgepaddelten Einbäume, sondern Schiffe mit Segeln. Segel und Maste aber werden von Tauen gehalten, und auf die muß der Schiffer vertrauen können. Also besser kein Werk von Nebenjobbern und Ungelernten.
   Woraus die Seile bestanden und wieviele Litzen zum Kardeel, wieviele Kardeele zum Tau geschlagen wurden, wissen wir nicht.
   5.000 Jahre später versank im Hafen von Wolin1 ein Schiffstau, gut 25 m lang, 5 cm dick, gedreht aus einem dünnen und zwei dicken Garnen. Aber das war ja auch längst die Zeit jener Krieger, Händler und Entdecker, bei denen wir an Trinkhörner und Hörnerhelme denken, vor allem aber an Drachenschiffe auf hoher See - von ihren Seilern freilich wissen wir nichts.

----------------

1 = dem alten Vineta?
----------------
Szenario

Auf dem Lande

Aber gehen wir wieder ins Landesinnere, wo ein Bauer sorgenvoll auf die düsteren Wolken schaut, die Sturm bringen könnten. Da sichert er doch lieber sein neues Strohdach noch etwas mehr!
   Er ruft den Jungen heran und läßt ihn die Kurbel eines einfachen Geräts mit drehbarem Haken drehen, hängt einen Strohwisch ein - und daran den nächsten ... - Arg haltbar ist so ein Strohseil nicht, aber für seine Zwecke reicht es.
   Das Zuggeschirr des Ochsen ist schon besseres Material, Bast vielleicht, und sicher sind mehrere dünne Seile zu einem dickeren zusammengedreht, aber auch das hat der autarke Bauer wohl noch selbst gemacht. Oder ein Seiler »auf der Stör«, der von Dorf zu Dorf zieht und unter freiem Himmel arbeitet. Demnächst will er sich aber ein noch haltbareres Hanfseil leisten, vom Seilermeister in der Stadt.

In der Stadt

Seiler und LehrlingMeister Selmechere2 spinnt gerade auf der Seilerbahn einen neuen Faden, das Hanfwerg um den Leib geschlungen. Mit der Linken zupft er das Material heraus, das sich in stetem Drehen an den schon meterlangen Faden anfügt; mit der Rechten führt er den Spinnlappen mit Leinöl, mit dem er den Faden glatt und geschmeidig hält.
   Fast stolpert er im Rückwärtsgehen und herrscht den Lehrjungen an, der wieder etwas liegengelassen hat.

Als mehrere Fäden fertig sind, hakt er sie wieder am Seilerrad ein, führt sie durch die Löcher der Registerplatte, daß sie nicht verheddern, und dreht aus den Fäden eine Litze - entgegen der ersten Drehrichtung, das verhindert später das Aufdrehen des Seils.
   50 Meter ist die überdachte Seilerbahn lang, und der Meister legt am Tag etliche Kilometer zurück - sein Lehrling, der stets nach neuem Werg oder Öl springen darf, sicher noch mehr.
Reeperpost   Ein gutes Seil soll es werden, und so macht der Seiler drei, vier Litzen am Seilgeschirr fest, ihr anderes Ende am drehbaren Haken des beweglichen Nachschlittens, zwischen den Garnen ein stumpfkonisches Leitholz. Jetzt darf der Gehilfe drehen, und Stück für Stück rückt der Schlitten ans Seilerrad heran, vor sich die verdrillten Litzen. Dann macht der Meister den Nachschlitten fest. Gleichmäßig führt er das Leitholz vom Schlitten weg aufs Seilgeschirr zu, hinter ihm verdrehen sich die Litzen zum Seil.

Seine Frau hat dem Bauern inzwischen ein Hanfseil verkauft. Kürzere Schnüre stellt sie selber im Haus her, flicht Wäscheleinen und webt schmale Gurte.
   Ein Kaufmann ersteht ein Bündel Sackbänder, dann kommt der Prospektor vorbei und fragt nach den Grubenseilen.
   Sie denkt an ihre Tochter, die einen Reepschläger an der Küste geheiratet hat - vielleicht der einzige, der gern Hochzeit hielt mit des Seilers Tochter3 ...

----------------

2 = ein solcher ist 1150 in Köln erwähnt
3 = auch Umschreibung fürs Gehängtwerden ...
----------------

An der Küste

Seine Bahn ist viel länger, 300 Meter, auf der er 200 Meter lange Seile schlagen kann. T-förmige Pfosten mit Zinken halten die Garne auseinander. Sonst ist die Arbeit kaum anders.
   Die dünneren Leinen werden zu Netzen verknüpft, Meister Repsleghere macht das noch im eigenen Betrieb. Aber am beeindruckendsten sind die dicken Taue und Trossen für die Schiffe ...

Wie war das? Also: zwischen zwei und fünfzig Garne werden zur Litze oder Leine, drei bis vier Litzen zum Seil geschlagen, drei Seile zum Kardeel ... Oder werden die Fasern rechtsum zum Kabelgarn gesponnen, etliche Garne linksum zum Kardeel, drei Kardeele wieder rechtsum zum Tau (im Trossenschlag, vier beim Wantschlag), drei Taue zur Trosse geschlagen?
   Schon der Geselle weiß das natürlich genau. Nach drei Jahren4 ist er »losgesprochen« worden, zum Meister braucht's aber nochmal eine Weile, und bis er so gut ist wie sein jetziger Meister ... Ein Kilo Rohhanf hat der zu seiner Prüfung zu einem 900 Meter langen Seilfaden gesponnen5.
   Viel wichtiger ist aber die Gleichmäßigkeit seiner Seile und die Kenntnis um Materialien und Techniken. Seine Taue geben nicht nach und laufen nicht ein, auch wenn sie ständig Meerwasser, Wind und Sonne ausgesetzt sind!

Seufzend dreht er die Kurbel, führt das Leitholz, läuft die Bahn hoch und wieder runter. Endlich ist das Tagwerk getan, und es kehrt Ruhe ein - auf der Reeperbahn nachts ...

----------------

4 = heutige Lehrzeit
5 = Teil einer Meisterprüfung 1958
----------------

Indexseite

Historisches

   Schreiber
   Pergamenter
   Papierer
   Formschneider
   Schriftsetzer
   Söldner & Krieger
   Seiler & Reep...
   Zeit - Teil 1
   Zeit - Teil 2
   Zeit - Berichtigung
   Alaunsalz
   Salz
   Flachs
   Wallfahrten
   Fruchtfolge
   Alchemie
   Karavelle

Fantasy/DSA

   Einleitung zur Serie
   an die Leser des DL

Talente: Anregungen für Spieler & Meister

Fallenstellen - empfiehlt sich, wenn sich ein Seiler auf Schlingen und Netze spezialisieren mag

Fesseln/Entfesseln - Zumindest kennt er sich mit Stricken und Knoten aus! Da macht ihm keiner was vor.

Fischen/Angeln - Wer Netze und Leinen macht, sollte wissen, wozu sie gut sein sollen. Dann braucht er auch nicht selber auf Fang zu gehen.

Pflanzenkunde - ist für jemanden, der Stroh, Hanf, Flachs und exotischere Fasern verarbeitet, durchaus von Interesse. Ein Heilkraut wird er deswegen nicht leichter finden ...

Feilschen & Schätzen - sollte er schon können, wenn er sein Werg nicht überteuert, seine Seile unter Preis verkaufen will!

Gassenwissen - braucht ein gemachter Seilermeister kaum. Aber der arme Seiler auf der Stör sollte schon wissen, ob er beim Henker Arbeit bekommt oder ihm welche macht, weil man 'Galgenvögel' und fahrend Volk nicht leiden kann.

Mechanik - ist das A & O. Da sind die Geräte instandzuhalten, da ist abzuschätzen, wieviele Schnüre wievielmal verdrillt werden müssen, um der Belastung zu widerstehen ...

Rechnen muß ein Seiler können. Wie lang soll das Tau sein, das der Schiffer braucht, wieviel Garn braucht er für's Seil und wieviel Werg benötigt er dafür?

Boote fahren - muß man nicht selber können. Aber ein Bild von den Anforderungen auf einem Schiff sollte ein Reepschläger schon haben!

(FS)


Impressum -- Text © 1999 Friederike Stein, Graphik & Layout © 1999-2007 M. C. Herdt, Tübingen, BRD. Alle Angaben und Verknüpfungen ohne Gewähr. Datum der letzten Änderung: 2007-12-30.


Dieser Artikel stammt aus:
[Der Darpatische Landbote]
Diese Homepage wurde ermöglicht durch:
Maus Mailbox Tübingen"Komm ins Mausnet™!"