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Allerley Hanndwerck und Wissenswertes

4: Stempel, Letter & Siegel
Vom Formschneider und vom Gießer.

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(Autorin: Marianne C. Herdt, 1998, Quelle: DL Nro. 7)


Irdische Geschichte - Metallguß - Berufsbild | DSA/Fantasy: Talente | Weitere Links

Geschichte

Ein weit verbreiter, begrifflicher Irrtum ist es, der Mainzer Johannes Gutenberg1 habe den Druck erfunden. Sein Werk ist der Druck mit systematisch ausgegossenen, einheitlich gestalteten, beweglichen Lettern (Einzelzeichen) und die Verbesserung des Preßwerkes, des Druckstocks. Der gedruckte Unsinn selbst griff aber weit früher um sich:

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1 = eigentl. Johann Gensfleisch zum Gutenberg, geb. zwischen 1397 und 1400, gest. 1486
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Etwa 2800 v. Chr., also zu Zeiten Sumers2, Babylons3 und Assyrs4 entwickelte sich aus Hieroglyphen- und Bildschrift eine frühe Abstraktion: die Keilschrift. Bald darauf wurden herrschaftliche Formulare und frühe »Werbeschriften« für die Armee (das antike Äquivalent zu unserer »starken Truppe«) aus Einzelelementen zusammengesetzt und in Ton gedrückt. Unterschrieben wurden viele dieser »Massendrücksachen« mit tönernen Rollsiegeln der Auftraggeber.
   Die Kunst dieses frühen »Stempel- Druckes« ging jedoch mit den Eroberungszügen der Skythen5, die von dieser genialen Technik offenbar unbeeindruckt blieben, verloren. Soweit wir heute wissen, war während der folgenden griechisch- römischen Epoche6 der Umgang mit Matrize und Letter unbekannt. Dennoch blieb das Wissen um bewegliche Lettern irgendwie erhalten, denn der Römer Cicero7 berichtet von dieser Art Schrifterstellung, Quintilius8 spricht gar davon, Kinder mittels Buchstaben aus Elfenbein spielend zum Lesen zu ermuntern. Doch blieb es lange bei handgefertigten Einzelstücken.

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2 = Gebiet im heutigen Südirak, ca. 3300 bis ca. 1500 v. Chr.
3 = Sumerisch-Akkadisches Reich, 1729 bis 681 v. Chr.
4 = heutiges Länderdreieck Irak, Syrien, Türkei.
   Assyr bestand ab ca. 1800 v. Chr., beherrschend ab ca. 1300 bis 612 v. Chr.
5 = 8. bis 7. Jahrhundert v. Chr.
6 = ab 7. Jahrhundet v. Chr.
7 = Marcus Tullius, geb. 106, gest. 43 v. Chr., Staatsmann und Schriftsteller,
   in seinem Werk »de natura deorum«, Lib. II 20.
8 = auch Quintillian[us], Marcus Fabius, geb. 35, gest. 96 n. Chr., römischer Rhetor.
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SchriftgiesserSpringen wir vorwärts zum Ende des Mittelalters und an den Beginn der Neuzeit: Seit der Jahrtausendwende bis Mitte des 15.  Jhdts. entwickelte sich eine breite Vielfalt des Stempel- und Formschnitt- Handwerks, dessen Ausgestaltung (Back-) Modelschnitzer und Holzschnitter (Illustratoren), Lithographen und Petschaftschneider, Eisengraber (Metallgraveure) und  gießer wie auch Fein-, Gold  und Kunstschmiede umfaßte.

Die Formschneider stellten im Schnitt- und Gußverfahren Siegelringe und  stempel, aber auch Druckformen her. Dabei wurden Bilder und Schriftzüge in einem Stück geschnitten und gegossen. Größere Teile und Schriftgrade wurden in Holz geschnitten, da hierbei der Guß größere Probleme aufwarf.
   Das 14. Jhdt. markiert etwa den Beginn der Massenproduktion von Spielkarten und Druckschriften. Dabei wurden holzgeschnittene Worte und Silben aneinandergefügt. Auch die Verwendung von vorgefertigten Initialen für Handschriften (sozusagen Vordruck- Urkunden) ist heute nachgewiesen. Immerhin wurde der spätgotische Bauersmann bereits mit Flugzetteln religiöser und politischer Art bombardiert, wohlweislich (im Hinblick auf die Analphabeten) »zweisprachig« als Comic- Strip mit Untertiteln. Leider sind heute nur noch wenige Exemplare erhalten.

Ein weiterer Zweig des Formschnitts ist die Herstellung von Modeln und Holzschnitten für Schwarz  und Bunt , bzw. Tuchfärber, die seit dem 7.  Jhdt. emsig Stoffe mit Druckmustern verzieren. Hier dominieren Formen in Backsteingröße mit komplizierteren Kantenschnitten, damit auch lange Tuchbahnen ohne sichtbare Stempelkanten bedruckt werden können.

Metallguß von Lettern und Stempeln

Die spiegelverkehrt aus hartem Metall (z.B. Messing) geschnittenen oder in Formsand gegossenen und nachgefeilten Zeichen (Patrizen) wurden in ein weiches Metall (z.B. Kupfer) geschlagen und an Stelle der späteren Aussparungen Metallstücke eingesetzt. Damit schuf man eine seitenrichtige Gußform (Matrize). Schließlich bekam die Matrize einen Deckel mit Gußtrichter (Hals) und Gußöffnung (Mund).

Dann wurde mit einem Löffel eine Schmelze aus Blei, Zinn, Spießglas (Antimon) und Wismut, »Zeug« genannt, aus der Gußpfanne geschöpft und der Gußraum durch »Mund« und »Hals« ausgegossen. Das Wismut diente zum leichteren Schmelzen, das Antimon verhinderte das Schrumpfen des Bleis. Nach einer kurzen Zeit des Härtens öffnete man die Matrize und ließ den Rohling aus der Gußform herausfallen. Notfalls wurde mit einem Hacken (Haken) nachgeholfen.

Die kostbare Matrize selbst wurde nach jedem Gußvorgang ausgepinselt und mit feinem Kohlen- oder Bimssteinstaub eingestaubt, damit sich das Gußmaterial nicht mit der Gußform verband. Das Gießen wiederholte sich, bis die vom Drucker gewünschte Stückzahl erreicht war. Die fertigen Lettern wurden an der schmalsten Gußstelle (an der »Kehle«) vom Gußkegel abgebrochen und nachgefeilt. So entstand Zeichen für Zeichen, Letter für Letter.

In der gleichen Art wie die Patrizen schnitt man auch die Stempel für Siegel, Münzen und Abzeichen, im weiteren Sinne auch gepunzte Gemmen, Zierknöpfe und -platten. Benvenuto Cellini beschrieb in seinem Werk Arte dell oreficeria die Methode, »mit stählernen Punzen die Umschriften für Münz  und Siegelstempel in Eisen und Messing einzuschlagen«.

Das Berufsbild und seine Varianten

Formschneider und Schriftgießer leben meist (jedoch nicht immer) in mittleren bis größeren Ortschaften. Dort kann eine Stempelschneiderin mit Verwaltung, Militär und Handelshäusern gute Geschäfte machen, da diese ständig nach billigen Stempeln, Siegeln und Abzeichen für den massenhaften Verschleiß verlangen.
   Sollte sich das Talent eines Formschneiders herumgesprochen haben, werden ihn Kunden von weither aufsuchen, die mehr oder minder kunstvolle Gravuren auf Schmuckstücke, den Griffkorb ihres Degens oder die Zinnbecher des Familiengeschirrs wünschen.
   Die Verzierung von Sattel- oder Taschenbeschlägen ist selbst auf dem Lande noch ein guter Broterwerb, auch der Verkauf von Matrizen und Gußwerkzeugen zwingt eine Handwerkerin nicht gleich zu stinkender Stadtluft.

Metallgießer dagegen sind stärker auf bestimmte Abnehmerkreise angewiesen. Klein  bzw. Familienbetriebe gießen nicht nur Lettern und Stempel, sondern oftmals auch Löffel oder ähnliche Metallgegenstände und sind in der Lage, Abnehmer in großem Radius zu bedienen.
   Ein angestellter Schriftgießer ist nur bei größeren Betrieben denkbar, viele Werkstätten lassen aber bei Bedarf wandernde Handwerker auf Stücklohn in ihrer Offizin arbeiten.
   Noch ein Hinweis finanzieller Art: Der Metallguß erfolgt bei festem Auftrag unter Gewichtsberechnung. Matrizen, Instrumente und Metalle stellt der Auftraggeber oder der Gießer bringt sie mit, wobei dann eine Abnutzungsgebühr berechnet wird.

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Wichtige Talente

Feilschen (MU/KL/CH)
»Habe ich eben 'die Unze zu fünfen' verstanden? Diegötterstehnmirbei, so spröde wie das ist, würde ich das nicht mal geschenkt nehmen aber weil ich einfach gut gelaunt bin, sagen wir drei und ein Achtel Wismut dazu nein, nein, nein, keine vier, niemals, na gut von mir aus, dreieinhalb aber ihr ruiniert mich noch!«

Gassenwissen (KL/IN/CH), Rechtskunde (KL/IN/CH)
»Meiner Treu, das ist aber garnicht Euer Siegel, was Ihr da wünscht, das deucht mir aber wie einen Fall für den Büttel. Nicht, daß ich an Eurer Ehre zweifeln würde, aber wenn der Dukat in Eurer Tasche ..., denn laßt Euch sagen, daß das, was Ihr da ..., also mindestens Kerker, wenn nicht gar Henker. Oh, besten Dank, kommt morgen zur Abendstunde.«

Schätzen (KL/IN/IN), Lügen (MU/IN/CH),
»Bedaure, gute Frau, aber Euer Erbstück ist fast nur Messing. Nein, verzweifelt nicht; ich geb' Euch drei Taler, denn Ihr habt Glück: ich brauch' grad' solches!« (Eine Formschneiderin zu einem Taxierung suchenden Bäuer)

Lesen/Schreiben (KL/KL/FF), Rechnen (KL/KL/IN)
»Also Meister, was Ihr mir da erzählt! Da braucht Ihr aber gut das Doppelte an Gußzeug, um den nächsten 'Boten' zu setzen. Moment, das rechne ich Euch vor: 20 Kolumnen zu 48 Zeilen a 71 Lettern zuzüglich Gebühren macht ...«

Alchemie (MU/KL/FF), Mechanik (KL/KL/IN), Feinmechanik (KL/FF/IN)
»Pardric! Du hast schon wieder das Spießglas vergessen!« - »Pardric, wo ist der Sperrhaken?« - »Pardric, Du Tolpatsch, Du sollst hinein  und nicht danebengießen!« - »Pardric, wo steckst Du? Pardric! PARDRIC! Pardric ...?«

(MCH)


Impressum -- Text © 1998 Marianne C. Herdt, Graphik & Layout © 1999-2007 M. C. Herdt, Tübingen, BRD. Alle Angaben und Verknüpfungen ohne Gewähr. Datum der letzten Änderung: 2007-12-30.


Dieser Artikel stammt aus:
[Der Darpatische Landbote]
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