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Allerley Hanndwerck und Wissenswertes

9: Die Zeit zu messen ...
Teil 2

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(Autorin: Friederike Stein, 2000, Quelle: DL Nro. 15)


Teil 1 | 2: Gestirne - Namen - Kalender - Reform | DSA/Fantasy: Anregungen | Weitere

Sechs Monate ist es nun alt, das letzte Jahr des zweiten Jahrtausends. Oder das erste des dritten? Hm.
   Zeit jedenfalls, der Zeit endlich den zweiten Teil der Abhandlung über sie zu widmen, jenen, der die Monde und Jahre zum Thema hat.

Die Monde ...
-- Gut, daß wir nur einen haben! Wie sähe sonst wohl unsere (Ge-)Zeitenrechnung aus? Mit dem Mond steigen und fallen die Säfte, der Erde ebenso wie die von Pflanze oder Tier. Glaube mischt sich hier mit Nachweisbarem, und Luna liefert allnächtlich ihre eigene Anzeigetafel zur Berechnung. Was läge näher, als ihren Zyklus zum Hauptzeitmaß zu machen und in den Lauf von Frühling-Sommer-Herbst-und-Winter einzupassen?

So machten's denn auch viele Völker und rechneten und richteten sich nach Mondjahren: die Babylonier ebenso wie die Juden und Moslems, China und Griechenland ebenso wie Rom.
   (Mit relativ lustigen Folgen: so kommen auf 33 christliche 34 muslimische Jahre. Ein Muslim hat also öfter Geburtstag, aber er kommt auch schneller in die Jahre ...)

Doch während die Natur auch mal Nestbau und Ablaichen verschiebt, wenn die Tageslänge nicht zum Mondstand paßt, während sie also Mondzeit und Sonnenjahr durchaus unter einen Hut bringt, will der Mensch eine immerwährende, feste Ordnung - und bekommt eine Flut von Problemen.

29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten und 3 Sekunden braucht der Mond für eine Runde um die Erde; dem Jahreslauf der Erde um die Sonne am nächsten kommen da 12 »Monde« zu 29,5 Tagen, denen aber am Ende 11 Tage aufs Jahr fehlen. Und wie rechnet man halbe Tage ein? So gibt es in den genannten Kulturen nicht nur Monate mit 29 und 30 Tagen und Schaltjahre mit Extra-Tagen, sondern auch Jahre mit 12 und 13 Monaten. Die Juden kennen gar sechs verschieden lange Jahre zwischen 353 und 385 Tagen.

Einige machten es sich leichter. Warum auch immer, verzichteten z.B. die Ägypter und Maya ganz auf den Mondkalender oder versuchten ihn jedenfalls nicht mit dem Sonnenjahr zu koppeln. Die Maya teilten das Jahr in 18 mal 20 Tage und hängten fünf unheilige Tage hinten an.1

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1 = Zumindest Letztere kommen dem götterfürchtigen DSAler sehr bekannt vor!
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Freilich machten es sich die Maya mit einer anderen seit alters her beliebten Zahl wieder schwerer: neben dem Jahres- bestand noch ein Ritualkalender mit 13 2 »Monaten« zu 20 Tagen. Zum Knobeln für Zahlenmystiker: der Jahresanfang beider Kalendersysteme fiel alle 52 Jahre zusammen.3

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2 = UNHEILIG!
3 = Die nächsthöhere Zeitraum-Einheit der Maya waren allerdings nicht jene 52, sondern 20 Jahre.
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Saat- und Erntezeit dürften für Agrarkulturen die wichtigsten Berechnungen gewesen sein. Alte Monatsnamen wie Brach-, Heu- und Herbstmond, mundartlich zuweilen bis heute präsent, geben davon Zeugnis, und selbst der martialische Name des kanonischen Frühlingsmonats »Martius«4 mag landwirtschaftliche Hintergründe haben, da Mars einst auch ein Vegetationsgott gewesen sein soll.

Irdische Monatsnamen
MonatAlter Nameauch genannt:
JanuarHartmondJenner/Jänner
FebruarHornungFeber
März Mertz, Merte/Marte etc.
AprilOstermondAberelle, Abrille etc.
Mai May, Meie, Maien
JuniBrachmond, Brachet 
JuliHeumond, Heuert, Heuet 
AugustErntemond (Aranmanod)Ouwest, Augst(monat) etc.
SeptemberHerbstmond, Holzmondwitumanod
OktoberWeinmondOctember
NovemberWintermond, Hart-, Herbstmond (?) 
DezemberHeiligmond, Christmond, Winter-, Hart-, Schlacht-, Wolfsmond 
Quellen: Duden, Brockhaus AG 1989; Etymologisches Wörterbuch d. Dtsch., dtv 1995; J. Rasch, Das Weinbuch, Harenberg 1981 (orig. 1580)

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4 = Im Konzil von Nikaia/Nicäa wurde der Frühlingsanfang auf den 21.03. festgesetzt.
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Doch schon früh trat Kabala zu reiner Liebe und Fruchtbarkeit.
   Wenn Sonne und Mond den Gang der Welt bestimmen, so müssen dies auch die Gestirne tun. Daher gingen (und gehen ...) Astronomie und Astrologie Hand in Hand. Die Ausgabe von Almanachen5 wurde wie die Benennung von Regierungsperioden Sache von Priestern oder - etwa in China - der Herrscherdynastie.

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5 = ibero-arabisch für Kalender
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Nicht nur Zeittafeln und Berechnungsblätter wurden hierfür erstellt, sondern auch Meß- und Rechenmaschinen.
   Eine astronomische Uhr von Antikythera, die mit kompliziertem Zahnradsystem Mondphasen u.a. anzeigt, stammt aus dem 1. Jahrhundert v.u.Z., »Steinrad-Systeme« wie Stonehenge und Peil-Menhire noch aus viel früheren Zeiten (bis 4.000 Jahre v.u.Z.).

Ordnung und Reichtum sind Herrschern wie Händlern gleichermaßen wichtig. Die richtige Saat-Zeit, die gute Ernte verspricht, zu treffen, ist ebenso wertvoll wie der Tag, da Ernte sich in gute Abgaben wandelt oder Verliehenes in Zins und Zinseszins.
   Was Wunder, daß die Monatsanfänge bei den zahlenliebenden Römern auszurufen (»calendae«) waren; ein »Calendarium« aber war das Zins- und Schuldbuch des Geldverleihers. Die Christen münzten dies wiederum um ins Religiöse und verzeichneten darin, an welchem Tage man welchem Heiligen besondere Verehrung schuldete.

Bei geistlichen und weltlichen Herrschern war Pünktlichkeit in derlei Dingen gern gesehen. Schon im Hochmittelalter gab es daher Kalender-Flugblätter, spätestens in der Renaissance enthielten agrarische Handbücher6 Kurzkalender, wann man welche Arbeit zu tun hätte, später kamen erbauliche Kalender- Geschichtchen und -Bildchen hinzu.

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6 = z.B. das »Weinbuch« von J. Rasch, 1580; Faksimile-Tb-Ausgabe bei Harenberg, 1981
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Osterstele
Osterstele in Lauterbach/ Sachsen, Zustand nach Erneuerung im Jahr 1884. Die Inschrift lautet:
»1584 IAR, DAS IST WAR
ZVENE OSTERN IN EINEM IAR«.
(Quelle: Damals 12/99, Foto von J. Helfricht)

Weit weniger erbaulich mögen viele Zeitgenossen die Kalender-Reform gefunden haben, die Papst Gregor XIII. 1582 für nötig hielt, da sich das Osterfest in der Julianischen7 Jahresrechnung immer weiter vom Frühlingsanfang entfernt hatte.
   Nicht nur, daß der Oktober in diesem Jahr zehn Tage (zwischen dem 4. und 15.) verlor. Wegen der Unversöhnlichkeit der christlichen Kirchen führten protestantische Länder den »katholischen« Kalender nur zögerlich ein, Schweden z.B. erst 1753.

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7 = eingeführt 46 v.u.Z. von Julius Caesar
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In einigen Gegenden kam es deswegen zu Ausschreitungen, in anderen feierte man Ostern zweimal, was mancher Gemeinde eine Gedenkstele wert war8. Jedenfalls mußten Termine von nun an mit dem Zusatz »stylo vero« oder »stylo novo« versehen werden.

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8 = s. 'Damals' 12/99 S. 32
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Der Vorbereitung einer neuen Kalenderreform widmet sich heutzutage eine »World Calendar Association«.
   Glücklicherweise wird der Gregorianische Kalender, der in Folge noch einmal modifiziert wurde, erst nach 3.000 Jahren wieder vom echten Sonnenjahr um 1 Tag abweichen. Wir haben also noch etwas Zeit!

Eigentlich ist es ja auch egal, ob wir nun noch im 2. oder schon im 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung leben und wann diese womöglich wiederum hinfällig wird - am 31.12.99 AD feierten Muslime den 24. Ramadan 1420 AH 9, die Juden aber den 23. Teweth 5760 »AM«, wie ich es ausdrücken will: Anno Mundi, seit Anbeginn der Welt.

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9 = Anno Hegirae/im Jahr der Hedschra
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So hat mein kurzer Abriß der Zeit-Geschichte hoffentlich eins gezeigt: die Relativität der vierten Dimension und ihrer Messung.

Friederike Stein

 

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Anregungen für Spieler & Meister:

Auch in Aventurien gibt es voneinander abweichende Mond- und Sonnenzyklen und differierende Zeitrechnungen. Sie hier im Einzelnen zu nennen, würde zu weit führen, aber zumindest Magiekundige oder Zwerge sollten einen Blick ins Lexikon oder den Almanach unter »Zeitrechnungen« werfen.

Auch ist nicht ganz einzusehen, warum nur die Zwerge ihre Monate nach Witterung, Handel und Handwerk nennen sollten.
   Unwahrscheinlich, daß der Ausrüstungskrämer in Mittelstadt andere Bezeichnungen als »Praios«, »Boron«, »Firun« für die Monate verwendet; aber wenn die Helden über Land ziehen und die Bäuerlein auf dem Felde befragen, könnte die Antwort ein kerniges »Jo, im Brach hebb ickn no gsehn« sein. (»Ja, im Rahja habe ich ihn noch gesehen.«)

Vielleicht gibt den aventurischen Detektiven auch ein Kalenderblatt, in dem ein Viehhändler seltsamerweise Weinbau-Termine angestrichen hat, den entscheidenden Hinweis oder die gar erschröckliche Kalendergeschichte, die der fahrende Händler in seinen Dorf-Almanach eingebaut hat.

Eine Ergänzung noch zum ersten Teil der Zeit-Geschichte (DL 14): Natürlich gibt es auch in Aventurien Uhren. Wirklich reiche Horasier dürften sogar regelmäßig mit Taschenuhr herumlaufen.
   Im Rommilyser Stadtteil »Neustadt« ziert eine Uhr das Stadthaus der Bürger, und die Kögschenglocke schlägt die Stunde.
   In Angbar gibt es am Haus der Zünfte ein mechanisches Uhrwerk mit Glockenspiel, und vom Ingerimmtempel aus ruft Baldarosch, die Eisentrommel, zur Arbeit.

So werden die Helden einmal mit Gänsegeschrei vom Traviatempel, städtischen Gongs und Glockengeläut oder gar rondrianischem Trompetenschall geweckt, um kurz darauf in der Wildnis auf Sonnenstand und Schattenlänge angewiesen zu sein. Was ihren horasischen Beinahe-Gefährten zur Weißglut treibt, weil sie ihn »geschlagene zweieinviertel Stunden lang« haben warten lassen.

Wehe freilich, ein Spieler kennt das Geheimnis der Armband-Sonnenuhr. Da hilft dann nur noch »leider dicht bedeckter Himmel« ...



Impressum -- Text © 2000 Friederike Stein, Graphik & Layout © 1999-2007 M. C. Herdt, Tübingen, BRD. Alle Angaben und Verknüpfungen ohne Gewähr. Datum der letzten Änderung: 2007-12-30.


Dieser Artikel stammt aus:
[Der Darpatische Landbote]
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