[Dergelmunder Schiffsglocke]Numero 2 & 3 (Fir.-Phe. 1023 nBF / 30 Hal / 1. Quartal 2001), S.25:

Dergelmund

Literaturliste


Die Bewacher

- von Marianne C. Herdt -

Kurzinformation:
Ort: Stadt Dergelmund-ob-dem-Meere
Zeit: 17. Phex 30 Hal
Personen
· 6 Soldaten von den Efferdstränen
· Alrik Fischer, Fischer
· Ugdan Dargel, Wirt der Marktschänke
· Barne Dominger, Fischer
· Einige Dergelmunder und Auswärtige
· Kaman ben Ismeth, Kommandant der Stadtwache

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17. Phex 30 Hal -- später Mittag

Schweigend steuerte Alrik seinen Kahn an die Mole. Keiner der sechs Soldaten machte Anstalten, ihm zu helfen, als er das Boot an die Mauer zog, um es zu vertäuen. Nicht, daß er die Hilfe gebraucht hätte, aber es war ungewöhnlich für das Kriegsvolk «von drüben».

Als er in Neukörne -- wo er wie schon oft ein paar Waren ablieferte -- von einem Soldaten angesprochen worden war, hatte er sich noch gedacht, es sei eine der üblichen Fahrten. «Landurlaub» hieß das, und die ein oder zwei Typen von der Festung, die er dann für gutes Geld nach Dergelmund mitnehmen konnte, waren üblicherweise fröhlich und hilfsbereit. So hilfsbereit, daß er unterwegs sogar noch an der Küste das Schleppnetz ausbringen und gemeinsam eine Flasche Brannt leeren konnte.

SeesoldatDiesmal aber waren es gleich sechs, die da von einer Kommandierenden mit zackigen Bewegungen zum Kahn gebracht worden waren, und sie hatten sechs dicke Säcke und eine Kiste dabei. Schwerbewaffnet, mit langen Piken, großen Schwertern und ernster Mine stiegen sie an Bord seines Fischerbootes, stellten ihr Gepäck an Deck und zogen, ohne zu fragen, die Netze über die Kiste.
   Selbst, als sie außer Sichtweite des Hafens waren, wurden sie nicht viel lockerer, und so blieb es die ganzen zwei Tage lang. Gut, sie dösten oder würfelten, rauchten das Stinkekraut, das sie «Mohacka» nannten, und zwischendurch hatte einer auch mal ein deftiges Lied angestimmt, verstummte aber bald, als keiner der Kameraden mitsang. Stattdessen sahen sie immer wieder angestrengt in die Weite des Golfes hinaus, so als ob sie etwas erwarten würden. Ob das mit der Kiste zu tun hatte? Zumindest durfte er die Netze nicht anfassen ...

Alrik stieg auf die Mole, um das Achtertau zu legen. Ohne zu warten, stiegen zwei der Soldaten hinterher, nahmen Säcke und Kiste an und halfen ihren Kameraden an Land. Einen Moment lang standen sie nur stumm da und sahen auf das Meer hinaus. Dann spuckte einer ins Wasser und machte eine obszöne Geste gen Rahjam, während die anderen lachten und sich auf die Schultern klopften. «Verpaßt, ihr Scheißer!» grölte einer, und ein anderer, den sie Rhufon genannt hatten, fügte, während er eine kleine Flasche hervorzog, an: «Die Schnarchnasen haben nichts gemerkt!», nahm einen kräftigen Schluck und ließ sie dann herumgehen. Während sich die anderen bedienten, winkte er Alrik zu sich und nestelte einen Beutel aus seinem Wams.

Alrik erschrak: was ihm da in die Hand gedrückt wurde, waren zwei glänzende, große Dukaten!

«Äh, Herr ... äh, irrt Ihr euch nicht?»

«Nimm's Mann,» wehrte der Soldat ab, «Du hast's verdient. War 'ne heiße Fahrt!»

«Heiße Fahrt? Aber es ist doch nichts passiert!» Alrik war verwirrt.

«Eben drum. Schön an der Küste entlang und harmlos aussehen -- genau wie wer's ham wollten.» Dabei patschte er Alrik anerkennend auf die Schulter. «Sach, wo kann man denn hier das Seewasser wegspülen? Ich mein 'ne Taverne, nix siffiges, sondern was mit gutem Zeug und anständiger Bedienung!»

«Mmmh, der »Ro...«, nee, der nich ... Die »Marktschänke« liegt am nächsten! Einfach hier hoch, hinterm Brunnen links am Eck.»

«Danke, Mann, bist'n Kumpel!» Die sechs Soldaten nahmen ihr Gepäck auf und machten sich daran, in die angegebene Richtung zu stapfen.

«Ach übrigens,» drehte sich einer, von dem er wußte, daß er Lohgerber hieß, zu Alrik zurück, «willste einen mittrinken? Wir laden Dich ein!»

Da brauchte Alrik nicht lange überlegen: «Klar!» strahlte er und schloß sich ihnen an.

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17. Phex 30 Hal -- etwas später.

«Vergratztnocheins!»

Gelächter dröhnte aus der »Marktschänke«, als der letzte der Soldaten mit seinem Spieß am niedrigen Eingang hängenblieb und sich langlegte. «Garbin, versuch's mit Anlauf!» erklang es von drinnen, gefolgt von erneutem Gelächter und Pfiffen.

«Äh, die Spieße ... die hättet ihr beim Hafenmei...» begann Alrik, dem erst jetzt einfiel, daß es eine neue Verordnung gab und half Garbin beim Aufstehen.

«Ach was!» knurrte der zurück. «Ein Soldat trennt sich nie von seinen Waffen!» Energisch sammelte er seine Habe auf und schlängelte sich durch die Tür.

Unsicher sah Alrik zum Gebäude der Hafenmeisterei auf der anderen Seite des Marktplatzes, zuckte dann mit den Schultern und betrat die Schänke.

«Wirt! Wein für uns alle!» Krachend ließ ein hünenhafter Soldat die flache Hand auf das glänzend polierte Holz der Theke donnern und wandte sich zu seinen Kameraden, die lautstark zwei Tische und genügend Stühle zusammenschoben. Empört drehten sich bereits einige Gäste zu den Krawallmachern um.

Ugdan Dargel, der Wirt, sah zu Alrik, schenkte aber, als dieser zur Antwort nur mit den Schultern zuckte, das Gewünschte ein. Als er mit einem Tablett voller Becher auf die Soldaten zuwatschelte, stolperte er über die auf den Boden vor der Theke abgelegten Spieße, schaffte es aber noch, das Gleichgewicht zu bewahren.

«So, liebe Gäste, hier eure Getränke!» säuselte der Wirt beruhigend, als er die großen, metallenen Becher auf dem Tisch abstellte. «Wenn ihr nur so freundlich wärt, mir die anderen Gäste nicht länger zu stören?»

«Eieiei,» säuselte der Hüne zurück und schlagartig wurde es still am Tisch, «das wäre ja wohl das Schlimmste, was uns widerfahren möcht', daß ihr, Herr Wirt, uns böse seid. Selbstverständlich wollen wir Eure ehrbaren, hochlöblichen Büüürrrger keinesfalls belästigen! Am End' würden die gar einen Büttel rufen, wie?»

Der Lohn für seine theatralische Darbietung mit ringenden Händen und rollenden Augen folgte in Form eines schallenden Gelächters.

Ugdan sah zu Alrik, der eingekeilt in der grölenden Meute saß, zuckte nun seinerseits mit den Schultern, drehte sich zu den anderen Gästen, offenbar honorige Bürger der Stadt, hob entschuldigend die Arme und eilte sich, hinter den Tresen zu watscheln.

Unterdessen hatte man im Rund der Soldaten die Becher herumgereicht. Dann erhob sich der Hüne:

«Auf das Tränenbanner! Gloria!»

«Gloria!» erschallte die Antwort seiner Kameraden.

«Trollzackia!

«Gloria Trollzackia!»

«Darpatia!»

«Gloria Darpatia!» Dann leerten die Soldaten -- sehr zum Erstaunen Alriks -- die Becher auf einen Sturz.

Garbin winkte mit seinem Becher zur Theke: «Wirt, noch eine Runde!»

«Wollt ihr wohl endlich leise sein!» ließ sich da eine Stimme vom Nebentisch vernehmen.

Garbins Kopf drehte sich mit dem Tempo einer Schnecke zur Quelle des Zwischenrufes. «Wie war das?»

Der Hüne faßte seinen Arm: «Garbin, laß gut sein!»

«Laß mich los, Jorik!» fauchte Garbin zurück und erhob sich. «Diese Made will uns die Feier nicht gönnen! Wir bewachen seinen Arsch, sitzen tagein, tagaus da draußen auf den Felsen, damit er ein ruhiges Leben hat, setzen unser Leben aufs Spiel, um diesen Dörflern zu helfen, und der Pfeffersack gönnt uns nicht ein bißchen Spaß!»

Der Zwischenrufer erbleichte.

«Garbin,» mischte sich nun die Soldatin zu Alriks Linker ein, «willst Du jetzt feiern oder Ärger machen?»

Garbin runzelte die Stirn. «Na gut.» maulte er und setzte sich. «Aber ein Becher geht auf seine Rechnung!»

Sichtlich erleichtert über seine Rettung bestellte der Zwischenrufer, dem Soldaten einen Becher zu bringen. Dann raffte er seinen Mantel, legte ein paar Münzen vor Ugdan auf den Tisch und verließ eilig die Schänke.

«Er ist etwas aufbrausend, aber im Grunde seines Herzens ein netter Kerl und feiner Kamerad.» flüsterte die Soldatin Alrik zu und wandte sich wieder an Garbin: «Sag, kannst Du noch das Lied, wo der Soldat am Strand steht und ...?»

«Wogenschäumers Zorn?» Garbin lächelte «Ja, aber dazu fehlt uns die Sackpfeife.» Er sah zu den Kameraden und bemerkte deren erwartungsvollen Blick. «Na gut, ich versuch's ...»

~o~

17. Phex 30 Hal -- Nachmittag.

Die Tür der Marktschänke wurde aufgerissen und ein Bürger rannte heraus, gefolgt von drei weiteren Gestalten. Von drinnen ertönte Krachen und Geschepper. Dann flog Barne Dominger mit zerrissenem Wams und einem Stiefel am Fuß durch die Tür in den Matsch. Kurz darauf folgte sein zweiter Stiefel, traf ihn am Kopf und fiel neben ihm in eine tiefere Lache.

Einen Moment lang wühlten seine Finger sinnlos im Matsch, bis ihm seine Lage klar wurde. «Mordio! Mordio!» zeterte er, während er sich erhob und den Matsch von seinem Gewand abzuwischen suchte -- was die Sauerei nur noch schlimmer machte.

Kaman ben Ismeth war überrascht, aus der Marktschänke solch einen Lärm zu vernehmen. Eigentlich dachte er immer, daß an diesem Platz Leute verkehrten, welche nicht auf Ärger aus waren. Allerdings hörte sich dies hier nicht so an.

Als Kaman gerade eintreten wollte, wurde er beinahe von einem fliegenden Bierkrug am Kopf getroffen, welchem er durch Rastullahs helfende Hand ausweichen konnte.

Er erblickte sechs Kämpfer, der Gewandung nach gräfliche Soldaten von Efferdsträne. Ihre Schwerter lehnten an der Rückwand zwischen einer eisenbeschlagenen Truhe mit Schloß und mehreren Säcken. Davor hockte ein Soldat neben einem Bewußlosen und kramte in einem Sack. Der Kommandant hob eine Augenbraue, als er in dem Bewußtlosen Ugdan Dargel, den Wirt erkannte, ließ sich aber nichts weiter anmerken und sah sich gelassen um.

Der Schaden am Mobiliar war überraschend gering: Einige Stühle waren zerschlagen, ein Tisch zusammengebrochen, die Tonscherben einer Öllampe lagen am Boden. Der Lärm hatte also schlimmer geklungen als es war.

In einer Ecke gedrückt saß noch ein verschreckter, aber dem Anscheine nach unverletzter Mann, wohl ein Händler von auswärts.

Zwei Männer und eine Frau standen vor der Theke, unter der ein Bündel langer Piken lag. Einer der Männer hatte die hünenhafte Gestalt eines Thorwalers, jedoch dunkle Haare und Augen. Die anderen beiden waren Durchschnittsgestalten, allein ihre Bewegungen verrieten Kaman sofort, daß es erfahrene Kämpfer waren. Ohne Kaman zu beachten, besahen sie sich die Schäden an ihren Wämsern und stellten umgefallene Stühle an einen Tisch.

Dort saßen bereits zwei weitere Soldaten, wischten Weinlachen weg und füllten die herumliegenden Becher aufs Neue.

 

Kaman tat einen Schritt auf die Soldaten zu:

«Es tut gut, 'tapfere' Soldaten bei ihrer Arbeit zu sehen, aber ich wäre euch dankbar, wenn ihr so gütig wärt, mit der Störung der Ordnung einzuhalten. Danach würde ich es gerne sehen, wenn ihr eure Bewaffnung bis auf einen Dolch pro Mann bei der Hafenmeisterei abgeben könntet, ich wäre Euch überaus dankbar dafür!»

Kaman hoffte, die richtigen Worte gefunden zu haben, und erwartete nun die Reaktion des «halben Dutzends».

Sechs Augenpaare richteten sich auf ihn, zwölf Hände hielten in ihren Bewegungen inne. Stille kehrte in der Stube ein. Der Händler in der Ecke hinter Kaman erhob sich und eilte sich, zum Ausgang zu gelangen.

Ohne Hast, wie auf ein Zeichen, nahmen die drei Soldaten vor der Theke herumliegende Stuhlbeine auf, stellten sich nebeneinander und bildeten damit eine Barriere zwischen Kaman und dem am Gepäck liegenden Wirt.

«Was willst Du denn, Du dunkles Würstchen?» blaffte einer der sitzenden Soldaten, über dessen linke Wange sich eine alte Narbe zog. Sein Blick hatte etwas Gereiztes, Flackerndes.

«Suchs' Du vielleich' auch Ärger, Tulamid?» stimmte sein Kumpan zu. «Willst' rausfliegen, he?»

Kaman lächelte gelassen. «Nein, ich suche keinen Ä...»

«Du willst mich wohl verarschen, hm?» brüllte der Narbige dazwischen und ballte die Fäuste. «Was quatschte uns denn sons an?»

Die drei vor der Theke sahen sich an.

Kaman vernahm ein leises Räuspern, dann erhob sich der Soldat an der Rückwand und trat, eine Hand hinter dem Rücken verborgen, hinter den Narbigen.

Sofort trat Kaman einen Schritt zurück, und ließ seine Hand an den Waqqif gleiten, um ihn ruckartig ein Stück aus der Scheide zu ziehen.

«Garbin ...» säuselte plötzlich der Hüne und beugte sich halb über den Tisch auf den Narbigen zu. «Laß doch den Kleinen reden!»

Garbin stand auf und funkelte ihn an: «Jorik, halt Dich endlich raus oder ich reiß' Dir den A...»

In diesem Augenblick traf ein Stuhlbein den Hinterkopf Garbins, der daraufhin sofort zusammensackte.

Der Soldat hinter ihm lächelte Kaman an: «So, und nun seid Ihr dran, Fremder: Wer seid Ihr, und was sollte das mit unseren Waffen?»

Kaman sah den Soldaten überrascht an. Hatte er gerade eben seinen eigenen Kumpanen niedergeschlagen?

Trotzdem entschied er, daß es besser wäre, seinen Dolch wieder zurückgleiten zu lassen.

«Mein Name ist Kaman ben Ismeth ben Omar, ich bin der Kommandant der Stadtwache Dergelmunds und dementsprechend verantwortlich für die ... Ordnung. Das mit euren Waffen konntet ihr als Fremde nicht wissen, aber aufgrund 'besonderer Umstände' herrscht in Dergelmund ein allgemeines Waffenverbot. Ausgeschlossen davon sind Geweihte, Adlige sowie die Wachhabenden der Stadtwache. Das Tragen eines Dolches pro Mann ist jedoch erlaubt, deshalb möchte ich euch bitten, eure Waffen bei mir oder bei der Hafenmeisterei abzugeben.

Solltet ihr von höherer Stelle aus eine bestimmte Funktion ihn Dergelmund ausführen, so sollt ihr für die Zeit eures Dienstes eure Waffen zurückerhalten.

Des weiteren werdet ihr euch vor dem hohen Rat der Stadt verantworten müssen, allerdings werde ich darauf verzichten, euch in Gewahrsam zu nehmen, wenn ihr mir dafür bei eurer Ehre schwört, zu gegebenem Zeitpunkt vor dem hohen Rat zu erscheinen.

Und nun, bitte folgt mir.»

Kaman tat einen Schritt zur Seite, um den Weg zur Tür freizumachen.

 

(MCH, MASC)

Hoch

Impressum

Text © 2001 Marianne C. Herdt, Tübingen, mit Teilen von MASC - Magnus Schmidt (Kaman ben Ismeth), Graphik & Layout © 1999-2007 Marianne C. Herdt. Alle Angaben und Verknüpfungen ohne Gewähr. Datum der letzten Änderung: 2007-12-30 Die Bilder und Texte dieser Domain unterliegen den urheberrechtlichen Schutz und sind nur zur privaten, nichtkommerziellen Verwendung freigegeben. Jede Art der Reproduktion, sei sie manuell, mechanisch oder digital (Ausgenommen hiervon ist die Verwendung zur Ausgestaltung privater Rollenspielrunden) sowie Verbreitung in jeglicher Art unterliegt dem Einverständnis der jeweiligen Urheber.